Beim Wandern sind es die kleinen Begegnungen, die lange in Erinnerung bleiben. Der Mann im Minirock auf dem Moselsteig. Das Ehepaar in den isländischen Ostjforden, das dort mitten im Nirgendwo in dieser winzigen roten Nothütte saß und seinen 21. Hochzeitstages mit einer Flasche Sekt feierte. Diesmal treffe ich am Ziegelsee, einem Außensee des Schweriner Sees, einen Hamburger, der aus den Masuren stammt, und der mir sein hellblaues Ferienhaus zum Übernachten anbietet. Kostenlos. Weil er sowieso nie Zeit hat zu bleiben. Will nur noch die letzten Walnüsse einsammeln und den Rasen mähen. Und dann erzählt er mir noch schnell, wer hier alles wohnt: der beste Chirurg Hamburgs da drüben, und hier in dem Finnhaus die pensionierte Managerin. Ich nicke beeindruckt und lehne das Übernachtungsangebot freundlich ab. Ich bin ja erst seit zwei Stunden unterwegs an diesem ersten Tag meiner Rundwanderung um den Schweriner See. Erste Station Lübstorf. Ein kleines, freundliches Hotel mit Enten im Garten und den üblichen Verdächtigen auf der Speisekarte: Soljanka, Würzfleisch, Schwedeneisbecher. Ich bestelle Gulasch und danach den Schwedeneisbecher und bin enttäuscht, weil mir das Original aus Kindertagen nicht mehr so gut schmeckt. Je weiter ich am zweiten Tag in Richtung Norden laufe, umso einsamer wird es. Nur die Schwäne am Seeufer und das leise Knarren meiner Rucksackträger unterbrechen die Stille. Überhaupt ist das Naturschutzgebiet Döpe an der Spitze des Sees ein Traum. Als ich um die Spitze herumgelaufen bin und in dem Ferienpark in Dobin ankomme, wo ich eine Hütte ganz für mich allein habe, treffe ich wieder Menschen. Auf der Terrasse trinke ich in der Abendsonne ein Glas Rotwein und fühle mich sauwohl. Am dritten Tag kommt der lang vorhergesagte Regen. Und er meint es ernst. Nach zwei Stunden sind die Schuhe durch. Ich beschließe, die Abkürzung zu nehmen, biege auf halbem Wege ab und laufe über eine Halbinsel nach Wickendorf. Dort hört der Regen auf, ich pelle mich aus der Regenkleidung und laufe entspannt an der Westseite des Sees zurück nach Schwerin.
Meine Wanderschuhe trocknen allerdings immer noch.
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Juli 2022
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