Ich empfehle Island im Dezember. Am besten fliegt man am 7. Dezember ab Hamburg. So gegen 13 Uhr. Dann ist es noch hell, wenn man ankommt. Über Island dreht der Pilot die Ehrenrunde über den Öræfajökull – oder über irgendeinen anderen Vulkan, der gerade kurz vor dem Ausbruch steht. Am Flughafen in Keflavík steigt man in den Flybus, findet den letzten freien Platz und beginnt ein Gespräch mit der eleganten Isländerin am Fenster, die sich als die Frau Konsul in Wien herausstellt. Die fünfundvierzig Minuten vergehen dann wie im Flug. Kommt man in Reykjavík gegen 17 Uhr an, ist die Sonne weg. Nur ein fetter orange-roter Streifen hängt am Horizont. Jetzt kann man sich überlegen, ob man noch ins Schwimmbad geht oder gleich in die Stadt, um Freunde auf ein Bier zu treffen. Man kann auch beides machen, was ich empfehle. Nach dem Bier sollte man dringend der Versuchung widerstehen, quer über den gefrorenen Tjörnin zu laufen. Der Stadtteich ist zwar nicht tief, aber wer will schon bei Minusgraden knietief im Wasser stehen. Am nächsten Tag fällt die Temperatur auf minus 7 Grad. Das ist immer so. Die Sonne geht um halb elf auf, und es ist einer dieser seltenen windstillen Tage. Fürs Joggen in diesen Temperaturen empfehlen sich lange Unterhosen. Vergisst man die, spürt man noch mindestens eine Stunde nach dem Laufen seinen Hintern nicht. Niemand weiß, wie die Winterschwimmer überleben, die in Nauthólsvík aus dem kalten Atlantik steigen und in Badehose über den Strand laufen. Auch am Samstag und Sonntag scheint die Sonne. Immer. Und es wird noch kälter. Am besten verbringt sich so ein Wochenende in Húsafell. Auf dem Weg dorthin kehrt man in die Geirabakari in Borganes ein, isst eine Kleina zum Kaffee und guckt über den Fjord. Später wirft man fix einen Blick auf die Hraunfossar und den Bjarnafoss. Bei dieser Kälte sind dort kaum Touristen. In Húsafell mietet man sich eine Hütte, groß genug für fünf. Dort sitzt man nach dem langen frostigen Spaziergang im 40 Grad warmen Hot Pot, taut die tauben Zehen auf, trinkt viel Gin Tonic, starrt zur Milchstraße hinauf und erfindet das erste Kapitel eines Arztromans, dessen Fortsetzungsreihe das Autorenkollektiv reich machen wird. Dass Chuck Norris Eyjafjallajökull auch rückwärts sagen kann, erfährt man zwar erst später, aber das passt hier gerade wirklich gut rein. Zurück in Reykjavík, kann man die üblichen Sachen machen: auf Blitzeis schlittern, die Stiefel für die Jólasveinar rausstellen und drei Pfund Blaubeerskyr essen.
3 Kommentare
Sie schlecken den Schaum von der Milch, glotzen durch Fenster und erschrecken kleine Kinder, klauen Kerzen, knallen Türen zu und kratzen Pfannen und Töpfe aus. Sind alle Brüder bei uns angekommen, ist Weihnachten. Danach stiefeln die 13 kleinen Sadisten einer nach dem anderen zurück zu Mama in die Trollhöhle. Das dauert bis zum 13. Tag nach Weihnachten (6. Januar). Erst dann bin ich die Frühstückstrolle los. Stekkjarstaur (Schafschreck) macht den Anfang. Er ist der Älteste der Brüder und scharf auf Schafsmilch. Er schleicht sich in Ställe und versucht, die Schafe zu melken. Allerdings hat er aufgrund seines hohen Alters ziemlich steife Beine, und deswegen geht das mit dem Unters-Schaf-Beugen meistens schief. Stúfur ist der Knirps. Er liebt Kinder, und sie lieben ihn. Sie stellen ihm sogar Nachts einen Stuhl vor das Fenster, damit er ins Haus klettern kann. Stúfur kratzt am liebsten das Angebrannte aus Pfannen aus. Zwei üble Burschen: Þvörusleikir, der Löffellecker, und Pottasleikir, der Kesselkratzer. Die Brüder kommen am 15. und 16. Dezember. Þvörusleikir ist mager und ewig hungrig und leckt mit seiner langen Zunge Kochlöffel ab. Pottasleikir ist noch verfressener und seine Zunge noch länger. Mit der schleckt er sich hemmungslos durch Töpfe und Pfannen. Das ist Hurðaskellir, der Türenknaller. Nummer sieben macht sich einen Riesenspaß daraus, Menschen zu Tode zu erschrecken. Er schleicht sich an Häuser heran, pfeift sich ein Liedchen und knallt dann mit Wucht die Türen zu. Nach dem Türenknaller kommt Skyrgámur, der Gierige. Er macht sich über die Skyrvorräte im Haus her und frisst so lange, bis er fast platzt. Skyrgámur weiß, was gut ist: Skyr ist die isländische Variante von Quark, nur viel besser. Kertasníkir schnorrt Kerzen und ist mir, gleich nach kleinen Stúfur, der Liebste auf der aktuellen Milchpackung. Vielleicht, weil er er fast so aussieht wie ich am frühen Morgen. |
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Juli 2022
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