Unseren ersten Abend in Berlin verbrachten wir in Bayern. Erschöpft vom Flug und hungrig wie zwei gestrandete Eisbären fielen wir beim Haxnwirt um die Ecke ein. Die Rouladen waren aus; man empfahl mir den Wiesn-Teller. "Da haben Sie was von allem." Man empfahl den Teller auch der zierlichen amerikanischen Touristin am Nebentisch. "Was von allem" stimmte. Auf dem Teller, den die Kellnerin brachte, lag, nein, türmte sich, was sonst noch auf der Speisekarte stand: Leberknödel, Sauerkraut, Kartoffeln, Schweinebraten, Kasslerbraten, gebratener Bauchspeck, kleine Bratwürste, Weißwurst. Trotz angestrengten Essens und vielen ermunternden Blicken von Kellnerin und Ehemann sah mein Wiesn-Teller nach zwanzig Minuten beinahe unverändert aus. Nur der Berg hatte leicht an Höhe verloren. Ich hatte die Hälfte vom Sauerkraut gegessen. Nach weiteren zwanzig Minuten gab ich auf. Ich schielte zum Nachbartisch. Dort kämpfte man sich tapfer durch den gebratenen Bauchspeck. Nordlichter über Island, und ich hab´s verpasst. Vorgestern gab es eine wahre Nordlichtexplosion am Himmel. Dieses Bild wurde vom Fotografen Tim Vollmer aus Hveragerði aufgenommen.
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Gestern ging ich in die Stadt, um einen toten Dichter zu besuchen. Dessen lebensgroße Skulptur sitzt auf einer Bank am Tjörnin, dem Stadtteich von Reykjavík, und die (Skulptur) erschien kürzlich einigen besorgten Bürgern so echt, dass sie die Polizei anriefen: "Da sitzt einer seit Tagen auf der Bank und rührt sich nicht. Und das bei dieser Kälte!" Gern hätte ich mich für einen Moment zu ihm gesetzt, aber es war wirklich zu kalt. Tómas Guðmundsson heißt er übrigens. Er wird auch der Reykjavík-Dichter genannt. Als ich auf dem vereisten Weg hinter dem steinernen Tómas ausrutschte und mich an einen Laternenmast klammerte, fasste ich in einen bunten, nassen Wollstulpen. Der brachte mich zum Grübeln. Wie kam der Stulpen an den Mast? Übergestülpt? Unmöglich (siehe unten). An den Mast gestrickt? Möglich. Aber wer macht so etwas! Die Menschen hier überraschen mich immer wieder. Der Stadtteich ist nun beinahe wieder aufgetaut. Wie gut, dass wir am Abend zuvor doch nicht drüber gelaufen sind. Sonst hätte wieder jemand bei der Polizei angerufen: "Heyrðu! Da sind gerade zwei Deutsche im Tjörnin eingebrochen!"
Der 13. Tag nach Weihnachten, Þrettándinn auf isländisch. Heute werden noch einmal die Feuer angezündet, die übrig gebliebenen Feuerwerksraketen abgeschossen, und dann ist Schluss mit Weihnachten. Angeblich wird es auch eine magische Nacht: Kühe beginnen zu sprechen, Seehunde nehmen menschliche Gestalt an, Tote steigen aus ihren Gräbern und Elfen ziehen in ihre neuen Behausungen. (Vorsicht jedoch mit den Kühen: Diejenigen, die ihre Gespräche belauschen, verlieren den Verstand.)
Da es ansonsten wegen Dunkelheit und Dauerregen gerade nichts zu fotografieren gibt, füge ich diesen kleinen Film ein, den das Team Nine im letzten Sommer in Island drehte. Shutter Ísland from Team Nine on Vimeo. |
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Juli 2022
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