Vier Wochen, 22 Etappen - so eine Tour ist schwer in Worte zu fassen. Ich hab's versucht, einen Bericht verfasst, bei dem ich mich schon beim Schreiben gelangweilt habe. "Anfang und Ende finde ich gut", meint Susanne, während sie mir über die Schulter schaut. Also hier die Kurzversion. Zur Erinnerung: Anfang Mai fahren Susanne und ich in Hamburg los und radeln an den Bodensee. Pause am BodenseeZehn Tage Bodensee. Wir üben die Aussprache von Grüezi Mitenand, schwimmen, lesen, netflixen, minigolfen, bekommen Besuch aus Berlin und holen uns alle Mann einen leichten Sonnenstich im Badi. Zurück nach HamburgZunächst wollen wir in Richtung Basel, von dort ins Elsass und danach am Rhein entlang in Richtung Norden. Basel ist uns zu voll und laut; wir flüchten. Das passiert uns immer wieder. Wir kommen durch Strasbourg, Mainz, Worms, Köln, Bonn, Düsseldorf, Münster und viele andere wunderschöne Städte. Doch wenn wir über Stunden durch die Natur geradelt sind, ist eine quirlige, lebendige Stadt mit Autoverkehr, Baulärm und vielen Menschen der pure Stress für uns. Das ElsassIn Weil am Rhein überqueren wir die Dreiländerbrücke – und sind im Elsass. Wir fahren im Schatten von (Kirsch-)Bäumen an schmalen gewundenen Flüssen entlang, durch malerische Dörfer, über Weinberge. Auf dem RheinradwegNach Strasbourg radeln wir über Speyer, Worms, Mainz und Bonn. Wir freuen uns über den Regen, der nach der brütenden Hitze in Köln fällt. An Düsseldorf fahren wir vorbei und finden diesen Teil des Rheinradwegs am schönsten; wir streifen den Ruhrpott und machen vor Duisburg einen Abstecher zum Tiger and Turtle Magic Mountain. Münsterland und KlosterKurz hinter Duisburg verlassen wir den Rheinradweg, kommen ins Münsterland und fahren an den Flüssen Lippe und Ems. Im Kloster Malgarten in der Nähe von Bramsche machen wir unsere letzte zweitägige Pause. Und was für eine herrliche Pause es wird. Das Gästehaus des ehemaligen Benediktinnerinnenklosters hat einen besonderen Charme, wir sind verzaubert. Bremen - HamburgWeiter geht es nach Bremen und von dort über Fischerhude und die Nordheide in zwei Tagen nach Hamburg. Wie auf unserer allerersten Etappe am 8. Mai kommen wir durch den Heidenauer Hochzeitswald. Unser FazitDie Schweizer wissen, was Fahrradfahrer wollen. Ins Kloster kann man öfter mal gehen. Man kann nicht alles haben: entweder Fahrradfahren oder Städte besichtigen. Der Rheinradweg ist nur teilweise schön. Das Münsterland ist durchweg schön. In Norddeutschland ist es am schönsten. Die FaktenHamburg - Bodensee - Hamburg: 43 Etappen, 2.415 Kilometer, 14.220 Höhenmeter
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Die erste Woche unserer Radtour zum Bodensee fühlt sich an wie vier Wochen: so viele Eindrücke. Und obwohl wir mit dem Rad so langsam reisen, rasen wir doch scheinbar von einem Eindruck zum nächsten. Der WeserradwegFelder mit blühendem Raps, der Fluss und die weite Landschaft bestimmen unsere ersten Tage. Wir lernen Niedersachsen kennen. Der Ruf des Kuckucks ist allgegenwärtig, wir beobachten Störche, Habichte, Feldhasen, Rehe. Ein Paar Fasane kreuzt unseren Weg. Der Weserradweg ist ein Radlertraum: Gut ausgebaut und ohne viele Höhenmeter führt er fast immer direkt an der Weser entlang. Wir sind entzückt, auch weil wir Glück mit dem Wetter haben. Ansonsten werden unsere Tage bestimmt von der Navigation (hier geht’s lang), dem Akkustand (wie viele Balken hast du noch?), und dem Essen (ich hab‘ schon wieder einen Bärenhunger). Wir fahren im Schnitt 70 Kilometer am Tag, nur die letzten beiden Etappen unserer ersten Woche werden über 80 Kilometer lang. Wir brauchen eine Pause und verbringen zwei entspannte Tage in Hann. Münden, wo auch der Weserradweg endet. Wer Fachwerk liebt, ist hier richtig. Im Fachwerkrausch nach HessenDas Fachwerk begleitet uns weiter nach Hessen. Hier fahren wir auf dem Fuldaradweg, an Kassel vorbei, über Melsungen und Rotenburg an der Fulda. Bisher haben sich die Höhenmeter in Grenzen gehalten, nur auf dem Weg nach Zeitlofs steigen wir zum ersten Mal auf fünfhundert Höhenmeter. Multinationale Küche in ZeitlofsUnd hier sind wir plötzlich schon in Bayern! Unterfranken, korrigiert uns der Wirt vom Fränkischen Hof, wo wir übernachten. Beim Abendessen stellen wir überrascht fest, dass die Speisekarte zur Hälfte aus thailändischer Küche besteht. Als die Wirtin die Bestellung aufnimmt, erklärt sich warum: Sie ist Thailänderin. „Das beste thailändische Essen zwischen Hamburg und Bangkok!“, zitiert der Wirt einen Freund. Und fügt hinzu, dass seine Frau in Thailand Kochen und Hauswirtschaft unterrichtet hat. Er führt uns durch den Garten, in dem die beiden thailändische Gewürze anbauen, und in dem auch ein Bananenbaum wächst. Der hier war keine Früchte trägt, aber dessen Blätter sie zum Kochen verwenden. Beim Frühstück probieren wir Powidel, ein Pflaumenmus aus Österreich, denn der Wirt, so stellt sich heraus, ist kein Unterfranke, sondern Österreicher. Wer lernen auch, was ein Trösterle ist, denn dafür wird die Gaststube eingedeckt, während wir ein kräftiges unterfränkisch-österreichisches Frühstück verdrücken, dessen Menge uns mengenmäßig überfordert. Der Wirt reicht uns schweigend zwei Blatt Alufolie; wir packen den Rest ein. Ein Trösterle ist übrigens ein Trauermahl, jemand im Dorf ist kürzlich gestorben. Durch den Sinngrund zum MainUnser Weg von Zeitlofs wird zur Sinnsuche. Wir fahren am Fluss Sinn durch den Sinngrund - vorbei an den Orten Obersinn, Mittelsinn und Burgsinn. Wir sind jetzt auf dem Rhön-Sinntal-Radweg und erreichen in Gemünden den Main, an dem wir über Veitshöchheim und Würzburg entlang fahren. Am 12. Tag kommen wir in Rothenburg ob der Tauber an und verbringen zwei weitere Tage im Fachwerkrausch. Donauradweg und Ankunft am BodenseeAb Rothenburg nehmen wir zweimal die Bahn: einmal wegen schlechten Wetters und ein zweites Mal, weil eine Etappe zu viele Höhenmeter hat. (Das Reisen mit dem Fahrrad in der Deutschen Bahn wäre einen eigenen Blogartikel wert.) So erreichen wir am vierzehnten Tag die Donau, machen Station in Donauwörth, Leipheim und Munderkingen, besuchen das Münster in Ulm und übernachten spontan auf der Insel Reichenau. Unser eigentliches Ziel, Romanshorn am Bodensee, erreichen wir am achtzehnten Tag. Und hier sind wir gerade – und wollen gar nicht wieder weg. Wir haben bereits die geplante Woche Aufenthalt um fünf Tage verlängert. Unser FazitDie Radwege an Weser, Sinn und Fulda gefielen uns am besten. Je weiter südlich wir fuhren, umso geschäftiger wurde das Leben. In Hessen wird viel Eis gegessen. Fachwerk wird überschätzt. Eco-Modus spart Akku-Leistung. Rothenburg ob der Tauber ist wirklich so schön. Und Bodensee rocks! Wie geht es weiter?Ursprünglich wollten wir weiter nach Frankreich, ins Loire-Tal. Wir fürchten jedoch, dass die Zeit nicht reicht. So werden wir zunächst am Bodensee entlang in Richtung Basel fahren und von dort am Rhein entlang nach Norden.
In Selinunte gibt es einen großen archäologischen Park, der aus den Überresten der alten griechischen Stadt Selinus besteht. Er liegt hoch über dem Meer und ist so weitläufig, dass aus unserem Rundgang am nächsten Tag eine kleine Wanderung wird. Die Tempel auf dem Osthügel tragen die unromantischen Namen E, F und G, weil sich die Fachleute offenbar nicht einig sind, welche Gottheiten sie verehren sollten. Alle drei Tempel sind zerstört; Tempel E wurde 1959 teilweise wieder aufgebaut. Scala dei TurchiScala dei Turchi (Türkentreppe) im Süden Siziliens ist eine knapp hundert Meter hohe Klippe aus Kalkstein. Später lese ich, dass sarazenische Piraten (gemeinhin Türken genannt) ihre Schiffe in den Gewässern der Bucht festgemacht haben und diese natürlichen Treppen nach oben geklettert sind, um ins Land einzufallen. Daher der Name „Türkentreppe“. In Berlin stünde die Treppe vermutlich längst auf der Umbenennungsliste. Kleiderbügel auf ItalienischSusanne hat ein musikalisches Gehör. Sobald sie neue Wörter und Sätze hört, spricht sie sie gleich so perfekt aus, dass viele Sizilianer glauben, sie spreche fließend Italienisch. Die Sache mit den Kleiderbügeln geht auch erstmal nur schief, weil ICH nach ihnen frage. In unserem Hotelzimmer in Selinunte gibt es genau vier Bügel, zu wenige für zwei Frauen, die vier Wochen reisen. Ich bitte Francesco in der Rezeption um ein paar mehr, auf Englisch. Francesco, dessen Englisch offenbar genauso gut ist wie mein Italienisch, antwortet höflich, dass wir diese in der Bar bekämen. Alright. Ich drehe mich zu Susanne: „Was heißt Kleiderbügel auf Italienisch?“ „La gruccia“, meldet Susanne nach einem Blick auf ihr Handy. „La gruccia“, gebe ich weiter, doch meine Aussprache muss haarsträubend sein: Francesco guckt so erschrocken, als hätte ich „Zombie hinter dir!“ gesagt. Susanne übernimmt und Francescos Gesicht hellt sich auf („La Grudschja, si-si-si!“). Wenige Minuten später klopft es an der Tür und ein strahlender Francesco reicht einen Armvoll Kleiderbügel herein. Barock und SchokoladeNach einer Woche in Selinunte fahren wir weiter nach Modica – die Stadt des sizilianischen Barocks und der Schokolade. Unsere Gastgeber sind die Betreiber eines Schokoladengeschäfts; wir verbringen dort eine genüssliche Chocolate-Tasting-Stunde. SiracusaUnsere letzte Station in Sizilien ist Siracusa. Die Stadt mit der kleinen Halbinsel Ortigia als historisches Zentrum ist ein einziges großes Denkmal. Im späten 17. Jahrhundert zerstörte ein Erdbeben die Stadt, danach wurde sie im spätbarocken Stil wieder aufgebaut. Die Bebauung auf Ortigia ist noch heute fast genauso erhalten.
Trublig und laut ist es hier: Die schmalen mittelalterlichen Straßen sind schon gut gefüllt mit Touristen, an vielen Ecken wird gepflastert, gestrichen, gebohrt: Die Stadt macht sich bereit für die Urlaubssaison. Ich jogge morgens um die Insel herum und muss an Lipari denken, als ich die Runde ein zweites Mal drehe. „Wie auf dem Jahrmarkt, gleich noch mal“, ruft Susanne und biegt scharf links ab, um zur zweiten Runde anzusetzen. An unserem letzten Tag in Lipari haben wir ein Auto gemietet. Zwar wussten wir, dass die Insel klein ist, aber wir waren nicht darauf gefasst, dass es nur fünfundvierzig Minuten dauert, einmal um sie herum zu fahren. Also noch eine Runde, wir müssen ja die Mietgebühr abfahren. Mit der Fähre verlassen wir Lipari am Karfreitag, der Abschied fällt uns ein bisschen schwer. Wir haben uns verliebt in diese knapp neunzig Quadratkilometer große Insel mit ihrem unaufgeregten Leben, ihrer Natürlichkeit und den unfassbar schönen Aussichten auf die Nachbarinseln Stromboli, Vulcano und Salina. Von Milazzo fahren wir mit der Regionalbahn an der Küste entlang nach Cefalù, die Liparischen Inseln dabei immer im Blick. Osterprozession in CefalúCefalù liegt am Fuße eines riesigen Felsens, Rocca de Cefalù. Wir verstehen sofort, warum die Stadt eine der schönsten Italiens ist, als wir durch die alten gepflasterten Gassen spazieren, unter Bogendurchgängen hindurch, hin zu einer hochromantischen Bucht (insbesondere nachts), an die sich ein kilometerlanger weißer Badestrand anschließt. In unserer Wohnung blicken wir von der einen Seite auf die Türme der prächtigen Kathedrale Santissimo Salvatore und von der anderen aufs Meer. Und wir dürfen sogar eine Osterprozession beobachten, insgesamt dreimal kommt sie an unserem Haus vorbei. Lost in TerminiMit einem Cinquecento brausen wir drei Tage später in den Südwesten – obwohl: Eigentlich brausen die Italiener, und zwar an uns vorbei, und das manchmal so eng, dass wir vor Schreck nach Luft schnappen. In Termini Imerese verlieren wir uns in einem Wirrwarr enger Gassen, von denen wir weder wissen, ob wir sie befahren dürfen, noch, ob unser kleiner Fiat überhaupt durch passt. „Oha“, ruft Susanne, die cool bleibt und wieder mal in eine irgendeine schmale Gasse einbiegt, während ich (weniger cool) versuche, uns aus dem Labyrinth heraus zu navigieren. „Einfach weiterfahren“, flüstere ich, als wir auf einem kleinen Platz landen, den Google Maps auch nicht kennt, und auf dem eine Gruppe Männer steht, die uns grimmig anstarren. Sizilien-Klischee, genau, aber so war‘s. Nach einer halben Stunde sind wir raus aus Termini, wischen uns den kalten Schweiß von der Stirn und fahren auf der Autobahn in Richtung Selinunte. Maximale Ineffizienz - angekommen in der AuszeitFast drei Wochen hat es gedauert, bis wir in unserer Auszeit richtig angekommen sind. Erst jetzt können wir die Tage sich entwickeln lassen und nehmen sie, wie sie kommen – ohne ständig das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Wir haben keine To-do-Listen abzuarbeiten, sondern gestalten unsere Zeit frei. Wir sind maximal ineffizient. Innere Unruhe, Anspannung oder Ängste sind verflogen. Wir schlafen mehr. Wir lachen mehr. Wir lernen andere Seiten an uns kennen. Soweit fühlt sich das ziemlich gut an.
An unserem ersten Morgen auf Lipari werden wir vom lauten Tuten unserer Handys geweckt. Verschlafen starre ich auf den Bildschirm und die einzigen zwei Worte in Großbuchstaben, die ich entziffern kann: ALLARME und IMMINENTE. Bis wir kapiert haben, dass es sich um eine Übung für einen bevorstehenden Vulkanausbruch auf der Nachbarinsel Vulcano handelt, sind wir hellwach und auf den Beinen. Auch schön, draußen scheint die Sonne. Singvögel und OrangenAuf Lipari wohnen wir zunächst in einem Haus oberhalb der Stadt, mitten in der Natur. Meine Birds-App läuft zu Höchstleistung auf und meldet eifrig und in schneller Folge Wiedehopf, Star, Singdrossel, Gartengrasmücke, Buntspecht, Mauersegler, Gimpel, Kleiber, Türkentaube. Ein scheuer und offenbar streunender Hund hält Wache vor dem Eingang zum Haus, aber läuft ängstlich davon, sobald wir uns nähern. Zwei Orangenbäume stehen im Garten hinter dem Haus. Wir sammeln die reifen Früchte auf; sie sind kleiner als die, die wir zuhause kaufen, aber süß und saftig. Ruhe mit VollgasLipari ist ursprünglich, charmant, liebenswert und bei weitem nicht so touristisch wie Taormina. Hier scheint das Leben einem eigenen Rhythmus zu folgen. Die Menschen sind entspannt, freundlich und herzlich und schätzen es, wenn wir an ihnen unsere rudimentäres Italienisch testen. Es ist ruhig in der kleinen Stadt, doch kann der Lärmpegel binnen einer Sekunde von Null auf Hundert steigen, wenn plötzlich zwei Vespas mit Vollgas eine schmale Gasse hinauf jagen. Und schön, dass wir in der Vorsaison hier sind, wir können uns vorstellen, wie sich die verwinkelten Gassen im Sommer mit flanierenden Touristen füllen. Ein Hafen als WohnzimmerDie Marina Corta wird das Wohnzimmer Liparis genannt. Geschützt liegt der kleine Hafen unterhalb des Stadtfelsens Il Castello. Ein paar Fischer gehen ihrer Arbeit nach, in den Lokalen, in denen es fangfrischen Fisch gibt, herrscht wenig Betrieb. Noch sind wenige Gäste hier, nach Ostern soll sich das ändern, hören wir. Tindern analog – La PasseggiataIn Italien gibt es das Ritual des Abendspaziergangs, die Passeggiata. Wir erfahren, dass Lipari der beste Ort ist, dieses Ritual kennenzulernen. So zwischen Feierabend und Abendessen füllt sich der Corso Vittorio Emanuele, die Shoppingstraße Liparis, mit Spaziergängern, alle darum bemüht, gut auszusehen. Die Passeggiata ist sowas wie eine Partnerbörse, nur analog. In Grüppchen spazieren die meist jugendlichen Einwohner den Corso herunter und werfen sich interessierte Blicke zu, während die Alten am Rand das Geschehen amüsiert und interessiert beobachten. Wandern mit AusblickLipari entpuppt sich als Wanderparadies. Am ersten Tag steigen wir auf zum Monterosa und genießen den Blick auf Stromboli. Auch die Wanderung zum alten Observatorium an der Südspitze Liparis ist ein Erlebnis. Wir sehen Vulcano und den rauchenden Krater, die davor liegende Insel Vulcanello und dahinter den Ätna.
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Juli 2022
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