Zur Alp im Kanton Uri komme ich in sieben Stunden - mit Flugzeug, Bahn und Postbus. Die Luftseilbahn, das letzte und dann einzige Transportmittel, bringt mich schließlich zum Ferienhaus, das in 1650 Meter Höhe liegt. Im Tal war es kalt und grau, doch über der Wolkendecke strahlt die Sonne. Hier oben gibt es nur wenige bewirtschaftete Höfe, ein paar Gaststüblis und natürlich die Skilifte, die aber wegen des fehlenden Schnees geschlossen sind. Ich bin etwas nervös. Außer meiner Freundin Tina kenne ich niemanden in der Gruppe, die sich jedes Jahr in dem ehemaligen Bauernhaus trifft. Meine Sorge ist unbegründet; die bunt gemischte Truppe nimmt mich herzlich auf. Nach zwei Tagen habe ich fünfundzwanzig neue Namen drauf. In den nächsten Tagen bleibt es sonnig. Nach dem Frühstück auf der Terrasse fläze ich mich in einen Liegestuhl, wickle mich in eine Decke und setze die Sonnenbrille auf. Ich komme mir plötzlich sehr reich vor. Am letzten Tag des Jahres mache ich mich morgens mit fünf Männern auf den Weg zum Rosstock (2400 Meter). Schnell erreichen wir die Schneegrenze. Über uns zieht ein Milan seine Kreise. Zwei Dohlen fangen im Flug die Brotstücke auf, die wir ihnen zuwerfen. Ich erkläre, dass Dohlen sprechen können, aber keiner glaubt mir. Silvester. Das Motto: verruchte 20er Jahre. Der Aufenthaltsraum wird zum glamourösen Ballsaal, in der Küche entsteht das Gala-Buffet mit Gurkenkrokodil und Mettigel und auf der Terrasse die Bar mit illuminierten Eisblöcken und Fackeln. Wir setzen Zylinder und Schiebermützen auf, legen falsche Wimpern und Federschmuck an und verwandeln uns für einen Abend in Dandys und Flapper Girls. Mit dem neuen Jahr kommt der Schnee. Ich jogge den Berg hinauf und verfluche ein bisschen das Hamburger Flachland. Bis auf mein leises Schnaufen ist es komplett still hier oben. Die einzigen Spuren im frischen Schnee sind die von Kaninchen und Füchsen. Das war's dann auch mit dem Joggen, denn wenig später schneien wir fast ein. Nur einmal machen wir mutig den Versuch eines Spaziergangs. Tief gebeugt kämpfen wir uns durch den Schneesturm, und als wir die Tür zum nur hundert Meter entfernten Berggasthof aufstoßen, sehen wir aus wie die Mitglieder einer Mount-Everest-Expedition. Der Schnee ist mittlerweile so hoch, dass Hund und Kinder fast darin verschwinden. Am letzten Tag beruhigt sich der Sturm, und die Skilifte öffnen. Wir putzen das Haus, ich übe horizontales Teppichkehren, und dann bringt uns die Gondel zurück ins Tal. Was für eine phantastische Woche!
2 Kommentare
Als ich gestern kurz vor 12 das Haus verließ, war es immer noch nicht richtig hell geworden. Dafür war über Nacht ein halber Meter Schnee gefallen. Ein freundlicher Nachbar hatte sein Auto ausgegraben und eine beachtliche Schneemauer vor unsere Einfahrt gebaut. Ich kehrte wieder um, und las, statt Schnee zu schaufeln, die Vorhersage der isländischen Wahrsagerin Völva für 2012: Die Vulkane Katla und Hekla werden ausbrechen und einige kleinere im Vatnajökull. Des weiteren gibt es zwei Ausbrüche in der Nähe von Reykjavík und auf Reykjanes, wo sich der Flughafen Keflavík befindet. Völva sagt auch eine Eruption in Nordisland voraus, verrät jedoch nicht den genauen Ort. Ich finde, im nächsten Jahr sollte Völva, um ganz sicher zu gehen, einfach den Ausbruch aller isländischen Vulkane vorhersagen. Drei Stunden später war es schon wieder dunkel. Meine Tochter kämpfte sich durch die Schneemassen zum Tjörnin und schoss ein Beweisfoto.
Wir hingegen freuen uns auf Silvester, nicht so sehr auf die Böller, doch auf die Silvesterfeuer. Neun gibt es davon jedes Jahr in Reykjavík. Sie werden gegen 20.30 Uhr angezündet und brennen für zwei Stunden. Die Kinder tragen riesige Plastikbrillen und lassen Wunderkerzen tanzen, Nachbarn treffen sich und schwatzen und reichen die eine oder andere Flasche Sekt herum - eilig, damit sie in der Hitze des Feuers nicht zu warm wird, und japanische Touristen fahren in Bussen vor und versuchen, Björk in der Menschenmenge auszumachen.
Auch sonst geht Silvester in Reykjavík die Post ab. Die Isländer behaupten ja, sie hätten das schönste Feuerwerk Europas. Ich weiß nicht, ob es stimmt, macht euch selbst ein Bild. InspiredByIceland überträgt live per Webcam. Die Kamera ist übrigens schon an: http://www.inspiredbyiceland.com. Rutscht gut ins neue Jahr hinein. |
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Juli 2022
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