Als ich gestern kurz vor 12 das Haus verließ, war es immer noch nicht richtig hell geworden. Dafür war über Nacht ein halber Meter Schnee gefallen. Ein freundlicher Nachbar hatte sein Auto ausgegraben und eine beachtliche Schneemauer vor unsere Einfahrt gebaut. Ich kehrte wieder um, und las, statt Schnee zu schaufeln, die Vorhersage der isländischen Wahrsagerin Völva für 2012: Die Vulkane Katla und Hekla werden ausbrechen und einige kleinere im Vatnajökull. Des weiteren gibt es zwei Ausbrüche in der Nähe von Reykjavík und auf Reykjanes, wo sich der Flughafen Keflavík befindet. Völva sagt auch eine Eruption in Nordisland voraus, verrät jedoch nicht den genauen Ort. Ich finde, im nächsten Jahr sollte Völva, um ganz sicher zu gehen, einfach den Ausbruch aller isländischen Vulkane vorhersagen. Drei Stunden später war es schon wieder dunkel. Meine Tochter kämpfte sich durch die Schneemassen zum Tjörnin und schoss ein Beweisfoto.
Wir hingegen freuen uns auf Silvester, nicht so sehr auf die Böller, doch auf die Silvesterfeuer. Neun gibt es davon jedes Jahr in Reykjavík. Sie werden gegen 20.30 Uhr angezündet und brennen für zwei Stunden. Die Kinder tragen riesige Plastikbrillen und lassen Wunderkerzen tanzen, Nachbarn treffen sich und schwatzen und reichen die eine oder andere Flasche Sekt herum - eilig, damit sie in der Hitze des Feuers nicht zu warm wird, und japanische Touristen fahren in Bussen vor und versuchen, Björk in der Menschenmenge auszumachen.
Auch sonst geht Silvester in Reykjavík die Post ab. Die Isländer behaupten ja, sie hätten das schönste Feuerwerk Europas. Ich weiß nicht, ob es stimmt, macht euch selbst ein Bild. InspiredByIceland überträgt live per Webcam. Die Kamera ist übrigens schon an: http://www.inspiredbyiceland.com. Rutscht gut ins neue Jahr hinein.
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Eine gefühlte Tonne Schnee geschippt. Erste Lesebrille bekommen und wieder verloren. Über Lemuren recherchiert. WordPress noch immer nicht kapiert. Zwölf Mal versucht, Diplomarbeit schreibende Tochter anzurufen und endgültig Status Nervensäge erreicht. Keine Weihnachtsgeschenke gekauft. Zwei Seiten im neuen Buch geschrieben, drei gestrichen. Festgefrorene Badelatschen hier vom Beckenrand gelöst. Eine Webseite entworfen. Flug nach Berlin gebucht. Google Analytics für doof befunden. Zwei Sorten Plätzchen gebacken und Teile der Küche zerstört. Beim jólaborð drei Pfund zugenommen. Tausend Mal auf Facebook geklickt. Season 4-Finale von Breaking Bad reingezogen. Viel Kaffee getrunken. The Accidental Tourist gelesen. 25 km gejoggt. Sieben leicht verwackelte Fotos mit dem Handy geschossen.
Seitdem ich in Island lebe, habe ich keine Angst mehr vor dem Zahnarzt. Die Atmosphäre in der Praxis, in die ich gehe, ist herzlich wie in einer griechischen Großfamilie. Ich werde mit Hallo und Handschlag begrüßt und schaffe es gerade, meine Schuhe auszuziehen (das macht man hier so), bevor ich hinein gerufen werde. Schwestern und Ärzte erinnern sich an ihr Schuldeutsch, ich versuche mich auf Isländisch, und wenn nichts mehr geht, wechseln wir zu Englisch. Neulich war ich wieder da. Während ich auf der Liege lag und Lisa mich von Kinn bis Fuß in eine Decke hüllte (Ist ja so kalt heute), erschien Börkur, der Zahnarzt, hinter meinem Rücken und rief:
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, Dass ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Kennst du das?" "Chaaah", erwiderte ich, weil Lisa bereits an meinen Zähnen zugange war. Börkur warf einen Blick in meinen offenen Mund, klopfte mir auf die Schulter und sagte fröhlich: "Ich habe keine Angst". Damit meinte er, glaube ich, dass alles in Ordnung war. Nachdem ich für Zahnpflege und Loreley bezahlt hatte, schmetterte mir die freundliche Rezeptionistin "Fröhliche Weihnachten" hinterher, dem ich mit einem zünftigen "Gleðileg jól!" begegnete. Ich hatte nicht mit Börkur gerechnet. Der saß neben einer Patientin im Wartezimmer und rief: "Die Luft ist kühl und es dunkelt. Und ruhig fließt der Rhein!" Ich winkte und floh, sprachlos. Und falls sich jetzt jemand fragt: Das ist wirklich passiert. Wir sind bei weniger als fünf Stunden Licht angekommen. Das Licht verdient seinen Namen überhaupt nur, wenn die Sonne scheint. Gestern schaffte ich es, einige Bilder aufzunehmen, bevor meine Kamera und ich uns dem Dauerfrost beugen mussten. Aber wie man sieht, kann man jetzt direkt in die Sonne fotografieren. |
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