Wenn das nicht bald aufhört, verliere ich meinen Job. Ständig diese Sonne. Wer kann bei diesem Wetter arbeiten? Neffe Nicolas hat nichts zu verlieren. Er hat Ferien. Er findet Geysir und Baden in warmen Flüssen cool, meint aber, dass ein Wasserfall genug sei (nach dem Motto, hast du einen gesehen, kennst du sie alle). Wann wurden Kinder so weise? Nur gestern regnete es ein bisschen. Ausgerechnet. Wir waren auf dem Weg zur Gay Parade, und während ich gerade Nicolas' fünften Chuck-Norris-Spruch verdaute, hob er das Gesicht in den Regen und meinte: "Endlich mal echtes isländisches Wetter." Am Tjörnin, dem Reykjavíker Stadtteich, fanden wir einen guten Stehplatz. Gerade zückten wir die Kameras, als uns drei kleine quirlige Kinder mit Regenbogenbemalung auf den Wangen vor die Beine geschoben wurden. Nicolas guckte konsterniert, aber bewahrte Chuck-Norris-Contenance. Und dann war es auch egal, denn das Spektakel begann. Die hinsegin dagar (hinsegin = andersherum) dauern fünf Tage an. Es gibt Filme, Konzerte, Ausstellungen, der Skólavörðustígur erhält ein Facelift vom Bürgermeister, Geschäfte und Skulpturen sind in Regenbogenfarben geschmückt, Bars und Cafés bersten. Höhepunkt ist die Pride Parade, bejubelt von begeisterten Zuschauern. Das Beste hier: Páll Óskar. Letztes Jahr sang er in einem Riesenschwan, dieses Jahr war es ein gigantisches Vikingerschiff in lila. "Und", fragte ich Nicolas auf dem Nachhauseweg, "wie hat es dir gefallen?"
"Ganz gut." Schulterzucken. Dann grinste er und sagte: "Chuck Norris macht das Licht nicht an. Er macht das Dunkel aus." Chuck Norris war hier.
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Juli 2022
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