Die letzten beiden Wochen war was los. Ein Sturm riss uns fast das Dach vom Haus, ließ Trampoline und Mülltonnen fliegen und entwurzelte Bäume und Touristen. Zwei todesmutige Schweizer blieben in ihrem Kleinwagen im Hochland stecken und mussten vom Rettungsdienst ausgegraben werden. Nichts für Hosenscheißer, die Straße ist im Winter gesperrt. Der Tannenbaum aus Hamburg trotzte dem Sturm, ein echter Hamburger Jung sozusagen. Jedes Jahr schenken uns die Hamburger einen Weihnachtsbaum und bedanken sich so für die Hilfspakete, die die isländischen Seeleute an die Hamburger Bevölkerung nach dem Ende des 2. Weltkriegs verteilten. Der Osloer Jung, der auch jedes Jahr kommt und vor dem Parlament steht, ist dagegen abgeknickt. Ersetzt wurde er mit einem lokalen Verwandten (vermutlich nicht ganz so groß). Am Tag nach dem Sturm braute sich gleich wieder ein neuer zusammen. Anschließend kam der Schnee. Dann braucht man beim Autofahren gute Reifen und ein schnelles Reaktionsvermögen. Neulich musste ich zweimal scharf bremsen, weil erst eine Katze und danach ein Radfahrer vor meinem Kotflügel vorbei rasten, beide ohne Licht. Die Katze sah ich heute wieder, ich glaube, es war die gleiche. Sie hatte diesen arroganten Blick. Sie und ich blinzelten in die tief stehende Sonne, die heute zum ersten Mal seit Tagen wieder schien. Nachdem die Sonne nach ein paar Stunden wieder untergeht, übernimmt das künstliche Licht. Daran herrscht hier im Winter kein Mangel. Mit diesem Phänomen hat sich auch der Fotograf Stuart Richardson beschäftigt. Drei Jahre lang untersuchte er, wie die Straßenbeleuchtung die isländische Landschaft beeinflusst. Das Ergebnis sind einzigartige Fotografien, die Stuart gerade als Buch "Sodium Sun" veröffentlicht hat. Ich war gestern auf der Buchparty, ein bisschen stellvertretend auch für meine Tochter Christine, die das Buch gestaltet hat und gerade in Berlin festsitzt. Mal ein bisschen Werbung machen hier. Einige von Stuarts Bildern kann man sich hier ansehen.
4 Kommentare
In Island kauft man Alkohol in der Vínbúð. Die ist unter staatlicher Kontrolle und wird deswegen auch ríkið (der Staat) genannt. In Island kriegt man nicht mal Bier im Supermarkt. Das, was dort verkauft wird, sieht zwar so aus, ist aber mit 2,25 % eine Mogelpackung. Ich habe schon Touristen gesehen, die sich freudestrahlend zwei Six-Packs davon in den Korb luden: “Guck mal Schatz, ist gar nicht so teuer!”
Heute war ich in der Vínbúð. Während sich meine Augen suchend über die zwei unteren Regale bewegten (niedriger, billiger), hörte ich eine Frau ungläubig auf Deutsch sagen: “Kostet die Flasche wirklich 19 Euro?” Sie stand vor dem Weißweinregal, beugte sich vor und musterte die Flasche Riesling wie ein exotisches Tier. “Das ist echt viel!”, bestätigte ihre Tochter, ungefähr 10. Während ich meinen Pinot Noir (1670 Kr, 11 Euro) in den Korb packte, nahm die Frau ihre Tochter an die Hand und schritt forsch aus dem Laden. “Kaufen wir keinen Wein?”, fragte das Kind. “Wir brauchen keinen Alkohol!”, erwiderte die Frau und betonte Alkohol, als handelte es sich um Magendarmgrippe. Ansonsten hatten wir gestern den ersten Schnee. Ich holte mir beim Joggen nasse Füße und machte kurz vor Sonnenuntergang in der Nähe von Grótta noch ein paar Fotos. Nach dem alten isländischen Kalender ist heute offizieller Winteranfang. Diesem Kalender zufolge gibt es weder Frühling noch Herbst. Das heißt, wir hatten bis gestern noch Sommer. Nun ja.
Sehr winterlich war es heute nicht: 7 Grad, Sonnenschein, einige Schauer. Ich habe das schöne Wetter für einen langen Lauf an der See entlang genutzt. Andere waren schlauer und gingen in die Stadt: Traditionell bieten die Händler an diesem Tag auf dem Skólavörðustígur Kjötsúpa (Lammeintopf) an. Trotzdem merkt man, dass der Winter kommt: die umliegenden Berge sind mit Schnee bedeckt, die Tage werden kürzer und das Licht über Tag ist bereits auf vorletzter Dimmstufe. Und so ähnlich sieht es hier gerade aus. |
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Juli 2022
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